Fotos: Stadtteilbüro Bockenheim, Susanne Küppers

Stadtteilbüro Bockenheim, Frankfurt a. M.

Seit über zehn Jahren macht sich die Frankfurter Initiative „Zukunft Bockenheim e.V.“ für dauerhaft günstigen Wohnraum in ihrem sozial und ethnisch gemischten Quartier in Bockenheim stark. Wichtiger noch: Sie ist Ansprechpartnerin für all die weniger Betuchten in der leuchtenden Metropole der Bankenhochhäuser. Immer mehr Luxus-Eigentumswohnungen privater Investoren sind in dem sich wandelnden Stadtteil Bockenheim in den letzten Jahren entstanden. Alternative, am Gemeinwohl orientierte Wohnideen dagegen scheiterten. Trotz „heftiger Rückschläge“ aber bleiben die Bockenheimer Projektmacher laut und wahrnehmbar. Und sie haben mit einem 60 qm großen Stadtteilbüro mitten im Quartier eine gut vernetzte, intensiv genutzte und für alle offene Anlaufstelle geschaffen.

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Projekt

Stadtteilbüro Bockenheim / Initiative „Zukunft Bockenheim e.V.“
Niedrigschwellige Anlaufstelle für die Bürger des Stadtteils; vor allem zu Fragen der Mietenentwicklung im Quartier. Unabhängig von Parteien und Religionen. Beratung bei Kündigungen/Mieterhöhungen oder im Aufbau von eigenen Wohnprojekten.

Gebäudetyp

Altbau (1905), Erdgeschoss, ehemaliges Ladenlokal, zwei Räume, großes Schaufenster

Gesamtfläche oder Nutzflächen nach Nutzung

60 qm

Projektstatus

Etabliert

Das Besondere – Erfolgsbausteine

Trotz des Scheiterns des größten Vorhabens der Initiative 2014 – ein alternatives, gemeinwohlorientiertes Wohnprojekt auf dem ehemaligen Uni-Campus-Gelände – machen die Projektmacher bis heute u.a. mit einem offenen Stadtteilbüro engagiert weiter. Statt sich enttäuscht zurück zu ziehen, mischen sie sich weiter laut und vernehmbar in die städtebauliche Entwicklung des Quartiers ein.
Vernetzung und Kompetenz durch hohe Ansprechbarkeit. Das Büro ist werktags zwischen 15 und 19 Uhr geöffnet. Jeder kann kommen. Daraus entsteht eine Plattform zur Entwicklung von Gruppen zu unterschiedlichen Themen. Regelmäßig finden hier Ausstellungen und Kinoabende statt. Auch im Rahmen der Flüchtlingshilfe werden die Räume intensiv genutzt.
Räume stehen allen Initiativen und Gruppen aus dem Stadtteil für Veranstaltungen, Workshops, Projektplanung u.ä. gegen eine kleine Gebühr zur Nutzung offen.
Schwerpunkt der Arbeit ist das Engagement für langfristig günstigen Wohnraum und alternative Wohnformen in Bockenheim.

Chronologie

Am Anfang


Zwischen 2005 und 2007 starten Mitglieder einer Bockenheimer Hausgemeinschaft mit knapp zehn Leuten eine Bürgerinitiative zum Thema Leerstand im Quartier (ein großes Kaufhaus auf der Leipziger Straße, der lebhaften Einkaufsstraße des Viertels, stand über 5 Jahre leer) und engagieren sich bei der Bürgerbeteiligung zur Umnutzung und Entwicklung des 14 Hektar großen Campus-Geländes. Nach 100 Jahren in beengten Verhältnissen in Bockenheim soll die Uni ins Frankfurter Westend umziehen.

Aufbau


Die Gruppe tritt regelmäßig mit Infoständen auf, veranstaltet Stadtteilspaziergänge und findet sehr große Beachtung. Das Interesse an Informationen ist sehr hoch. Die Gruppe fordert ein Stadtteilbüro zur Information der Bürger zu dieser einschneidenden Veränderung und mietet schließlich mit eigenen Mitteln ein Büro auf der Leipziger Straße an und betreibt es mit ehrenamtlichem Engagement. Die Initiative schließt sich zum Verein „Zukunft Bockenheim e.V.“ zusammen.

Verstetigung


Ab 2008/2009 entwickelt der Verein Pläne und ein Konzept für ein großes, alternatives Wohnprojekt mit günstigen Mieten und offenen Räumen im leerstehenden, vom Abriss bedrohten „Philosophicum“-Gebäude auf dem Uni-Campus; ein neungeschossiger Nachkriegsbau des Architekten Ferdinand Kramer. 130 Leute machen begeistert mit. Detaillierte Umbaupläne entstehen zusammen mit einem Frankfurter Architekten. Ein Finanzierungsplan über acht Millionen wird auf die Beine gestellt. Nach jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt scheitert das Vorhaben aber an einer Finanzierungszusage der Banken. Die Stadt verkauft 2014 an einen privaten Investor.

Auf lange Sicht


Doch die Initiative gibt nicht auf. Derzeit beteiligt sie sich vor allem am Protest gegen geplante Neubauprojekte mit Luxuswohnungen und macht sich weiter für mehr geförderten Wohnraum stark. Außerdem bietet sie mit ihrem Stadtteilbüro auch anderen Gruppen offene Räume und will weiterhin Anlaufstelle für weniger betuchte Menschen und ihre Sorgen im Quartier bleiben.

Finanzierung

Das Büro und die Arbeit der Gruppe wird von 2009 bis 2017 ausschließlich von Spenden und Nutzergebühren finanziert. Seit Juli 2017 finanziert die Stadt Frankfurt eine halbe Stelle im Stadteilbüro. Die festen monatlichen Kosten betragen 600 Euro für die Miete plus Nebenkosten.

Organisationsform

Formelle Struktur: Verein, eingetragen (Initiative Zukunft Bockenheim e.V.), derzeit 12 Mitglieder

Verein ist Mieter einer städtischen Liegenschaft

Arbeitsstruktur: Gruppen die sich zu wichtigen Themen bilden und die oft temporär sind, fanden und finden hier Räume für ihre Aktivitäten. z.B. Mieterinitiativen zum Mietspiegelkonflikt, Wohnprojekte wie z.B. „Philosophicum“ (eine Initiative des Büros) Netzwerk gemeinschaftliches Wohnen auf dem Campus, Kino-Initiative, Sprachkurse, internationale Frauengruppen

Kommunikation

Website www.zukunft-bockenheim.de, Infostände, aktive Beteiligung bei Bürgerbeteiligungen, Flyer, Mailings, Plakate, großes Schaufenster des Stadtteilladens informiert über alle Aktivitäten

Teamentwicklung

Das Büroteam bestand bis Mitte 2017 nur aus Freiwilligen. Jetzt konnte eine Bürokraft eingestellt werden, dank einer von der Stadt finanzierten Halbtagsstelle. Aktiv im Verein tätig sind derzeit fünf Personen.
Der Verlauf der Teamentwicklung war zeitweise kompliziert. Durch das Scheitern der Philosophicum-Pläne haben sich viele frustriert zurückgezogen.

Immobilien/Planen/Bauen

Das Projekt „Stadtteilbüro“ versteht sich als Zugang zur Initiierung von Initiativen, die sich um alternative Wohnprojekte und geförderten Wohnraum bemühen, etwa bei Wohnungsbaugesellschaften oder Wohngenossenschaften.

Nachbarschaft und Stadtteil

Gut vernetzt mit Bewohnern, sozialen Trägern und Bezirkspolitikern

Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?

Mittelfristig benötigen wir wieder mehr professionelle, engagierte Mitstreiter.

Stolpersteine

…sind manchmal einfach auch die vielen Anforderungen, die entstehen, weil wir als kleines Projekt mit wenig Leuten trotzdem den Anspruch haben, uns mit den Menschen, die zu uns kommen und vor allem mit ihren Themen und auch Sorgen, fachkundig zu beschäftigen.

Sonstiges

Es bleibt spannend. Widerstand und Protest gegen immer mehr Neubauprojekte mit Luxus-Eigentumswohnungen in Bockenheim und immer weniger geförderter Wohnraum oder Sozialwohnungen auch für ärmere Menschen sind nötiger denn je, um den bunten Stadtteil mit seiner heterogenen Bewohnerschaft langfristig zu erhalten.