Grafik: Prinzip der Stadtbodenstiftung, von Stadtbodenstiftung Berlin

Die Stadtbodenstiftung Berlin und der Ansatz der Community Land Trusts

Ein Interview mit Sabine Horlitz und André Sacharow.
 
Dieser Text erschien zuerst Mai 2022 im Immovielien-Heft 2. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar oder über die Koordinierungsstelle als Printversion erhältlich.
 
 
Community Land Trusts (CLT) sind ein gemeinschaftliches, nicht gewinnorientiertes Eigentumsmodell, mit dem Grund und Boden der Spekulation entzogen wird. So kann dieser dauerhaft zur Verfügung gestellt werden für günstigen Wohnraum, aber auch für andere gewerbliche, soziale oder kulturelle Nutzungen – von Nachbarschaftszentren über Gewerbehöfe bis zu Gemeinschaftsgärten. In Berlin hat sich dazu im Jahr 2021 die Stadtbodenstiftung gegründet. Wir sprechen mit den Vorständ*innen der Stiftung.
 
Matthias Braun: Lieber André, liebe Sabine, im Oktober 2021 konntet ihr in einem feierlichen Akt die Gründung als selbständig rechtsfähige und gemeinnützige Stiftung begehen. Herzlichen Glückwunsch dazu und auch herzlich Willkommen als Mitglied im Netzwerk Immovielien!
 
Das Prinzip einer Bodenstiftung ist erstmal nicht neu: Die Stiftung trias beispielsweise ist schon länger bundesweit in diesem Feld tätig. Was unterscheidet euren Ansatz von anderen Stiftungen?
 
Sabine Horlitz: Wir haben hinsichtlich der Ziele, Boden dauerhaft vom Markt zu nehmen und im Erbbaurecht an im weitesten Sinne gemeinwohlorientierte Akteure zu vergeben, viel mit den beiden bekannten Bodenstiftungen, der Stiftung trias und der Stiftung Edith Maryon gemeinsam. Beide sind – darüber freuen wir uns sehr – auch Gründungsstifterinnen der Stadtbodenstiftung. Sie sind wichtige Vorbilder sowie mögliche Kooperationspartnerinnen für uns.
 
Aber zu deiner Frage: Aus unserer Sicht gibt es vor allem drei Unterscheidungsmerkmale. Erstens die basisdemokratische Besetzung der Organe: Ziel ist, dass unterschiedliche Interessen in der Stiftung vertreten sind und dass insbesondere jene eine Stimme haben, die sonst in Stadtentwicklungsfragen meist nicht mitentscheiden können. Das Kuratorium ist das zentrale Entscheidungsorgan der Stiftung. Dort sitzen unter anderem auch Vertreter*innen der Nutzer*innen und aus den jeweiligen Nachbarschaften. Es wird zudem ein Stiftungskomitee geben, das für alle an den Projekten Beteiligten, für Nachbar*innen und Stifter*innen offen ist. Dieses ist mit einer Mitgliederversammlung vergleichbar. Vorbild war uns hier das Modell des Community Land Trust. Wir übertragen dieses Modell erstmals in die hiesigen Stiftungslandschaft und begreifen uns als Teil der weltweiten CLT-Bewegung.
 
Zweitens der lokale Bezug: Anders als die zuvor genannten Stiftungen, die bundesweit, in Teilen sogar länderübergreifend arbeiten, ist die Stadtbodenstiftung durch einen lokalen Fokus auf Berlin und Umgebung gekennzeichnet. Wir wollen hier in Berlin aktiv sein, in der Stadt, in der wir leben und uns auskennen. Wir sehen uns eher als Vorbild für interessierte Initiativen in anderen Städten, als dass wir dort tätig sein wollen.
 
Und drittens schließlich die explizite vertragliche Sicherung sozialer Ziele und Bindungen: Der Bezug auf das Community Land Trust Modell beinhaltet für viele, die die Stadtbodenstiftung gegründet haben, auch den Wunsch, über die üblichen links-alternativen Kreise und die CoHousing-Szene hinaus wirksam zu werden. So haben wir beispielsweise als Ziel festgelegt, insbesondere das Recht auf Wohnen für Menschen mit erschwertem Zugang zu Wohnraum zu ermöglichen.
 
MB: Vor knapp drei Jahren habt ihr als Initiative begonnen, den Community Land Trust Ansatz in Berlin bekannt zu machen und Mitstreiter*innen zu gewinnen. Was waren wichtige Meilensteine und Erkenntnisse, die ihr auf dem Weg zur Gründung der Stadtbodenstiftung machen konntet?
 
André Sacharow: Ein ganz wesentlicher Meilenstein war es, für das CLT-Modell eine rechtliche Übersetzung und geeignete Organisationsstruktur zu finden. Wir haben in der Initiative lange darüber diskutiert, was die richtige Rechtsform ist: der Verein (als basisdemokratische Organisation), eine Genossenschaft, eine Treuhandstiftung oder eben eine rechtsfähige Stiftung. Wir haben uns für letztere entschieden, da sie die größte Absicherung gegen einen möglichen Verkauf des Bodens gibt. In Vereinen und Genossenschaften können die Mitglieder ihre eigenen Regeln und damit auch die einst beschlossene Marktferne wieder aufheben, wenn eine ausreichend große Mehrheit dies beschließt. Das geht mit einer Stiftung nicht.
 
SH: Schwierig war dann aber die gleichzeitige Einführung der demokratischen Elemente in das Stiftungsmodell. Wir haben lange mit der Stiftungsaufsicht verhandelt, mehrere Satzungsversionen vorgelegt, um schließlich zu einer für alle akzeptablen Struktur zu kommen. Diese nun wirklich mit Leben und sinnvollen Betätigungen zu füllen, ist eine der wesentlichen nächsten Aufgaben.
 
MB: Euer erstes Projekt, die Überführung des Bodens eines Kreuzberger Mietshauses in das Stiftungsvermögen, steht kurz bevor. Welche Auswirkungen hat das für die Eigentümer*innen und Mieter*innen des Gebäudes?
 
AS: Wir gehen dieses erste Projekt zusammen mit einer Genossenschaft an. Die Genossenschaft erhält das Gebäude im Erbbaurecht und leistet dafür eine mit einem Kauf vergleichbare Einmalzahlung an die Eigentümer*innen. Diese schenken den mit dem Erbbaurecht belasteten Boden der Stadtbodenstiftung.
 
Für die Eigentümer*innen war es wichtig, dass das Haus dauerhaft „in guten Händen“ ist, dass die Mieten nicht oder nur sehr wenig steigen. Das geht natürlich nur, wenn sie das Haus unter Marktwert verkaufen und auf eine Gewinnmaximierung verzichten. Dazu waren sie bereit. Die Stadtbodenstiftung agiert als eine Art Wächterin der sozialen Vermietungspraxis dieser Immobilie mit wirklich wahnsinnig günstigen Mieten, indem wir die Sozialbindungen bei Wiedervermietung dauerhaft im Erbbaurechts- vertrag und für die Genossenschaft verpflichtend verankern.
 
MB: Nun heißt es möglichst viele Berliner*innen und verkaufswillige, soziale Eigentümer*innen für eure Unternehmung zu begeistern. Was sind die nächsten Schritte?
 
SH: Wir haben noch ein zweites, ähnlich strukturiertes Projekt in Planung und hoffen, dieses bis zum Sommer umsetzen zu können. Dann hätten wir zwei vorzeigbare Beispiele, die zeigen, wie es gehen kann und agieren nicht mehr in diesem diskursiven Raum von Ideen und Behauptungen. Von diesen beiden konkreten Orten ausgehend wollen wir einerseits in die lokale Nachbarschaftsarbeit gehen und Leute für die Mitwirkung im Stiftungskomitee interessieren. Andererseits wollen wir natürlich auch in die breitere Öffentlichkeit gehen und um Zustiftungen und Bodenschenkungen werben.
 
AS: Und dann gibt es Ende Oktober auch den internationalen Welt-CLT-Tag, an dem wir uns beteiligen, eine öffentliche Veranstaltung mit Live-Schalte zu anderen CLTs planen und alle Interessierten herzlich dazu einladen.
 
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Weitere Informationen und die aktuellen Aktivitäten der Stadtbodenstiftung: www.stadtbodenstiftung.de
 
Das Immovielien-Heft 2: Hier online abrufbar oder als Printversion auf Anfrage (kontakt@netzwerk-immovielien.de).