Fotos: Antje Eickhoff

Dünenfüchse Bonn

Dünenfüchse – bei dem Namen denkt man sofort an Sand, Meer und Sonne – aber in Bonn? Kaum einer kennt die Bonner Düne in Tannenbusch, das Naturschutzgebiet, an das sich die ehemalige HiCoG (High Commissioner of Germany) – Siedlung mit dem Pavillon des Vereins Dünenfüchse schmiegt. Gebaut 1951 als Wohnanlage für die Angehörigen der US-amerikanischen Hochkommission, steht die Siedlung heute unter Denkmalschutz. Etwa 600 Menschen finden hier Platz: In einem Hochhaus mit Einzelappartments, in zwei-bis fünfgeschossigen Mehrfamilienhäusern mit Mehrzimmerwohnungen, aber auch in Dormitories: Wohngemeinschaften mit Gemeinschaftsküche und -bad. Zwischen den Gebäuden findet man ein Wege- und Straßennetz mit viel Grün. Und mittendrin den Pavillon: Ort des Ankommens, nachbarschaftlichen Zusammenseins, der gegenseitigen Hilfe, des Lernens und des Kennenlernens. Aber das war nicht immer so!

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Projekt

Der Pavillon der Dünenfüchse bietet Raum für geselliges Beisammensein und Bildungsveranstaltungen – vom Tee-Café über die Bastelstunde bis zum philosophischen Lesekreis. Außerdem beherbergt er eine kleine Bücherei, aus der man kostenlos Bücher leihen kann. Der Raum steht für Schülernachhilfe zur Verfügung und als im Sommer 2015 ca. 75 Flüchtlinge und Asyl suchende Menschen in der Siedlung untergebracht wurden, war der Pavillon Anlaufstelle für alle, die eine Frage hatten oder Hilfe brauchten. Hier wurden Sachspenden verteilt und Kontakte geknüpft. Zusätzlich wurde eine Wohnung für Kinderbetreuung, Sprachunterricht und Aufenthalt hergerichtet. Seit Mai 2017 gehört ein Gemeinschaftsgarten zum Projekt. Eine ca. 600 qm große Fläche wird dafür genutzt. Die Wege und verschiedene Arten von Beeten werden so angelegt, dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen mitmachen können. Auch werden sich die lokalen Schulen an dem Projekt beteiligen.

Gebäudetyp

Der Pavillon ist Teil der HiCog-Siedlung in Bonn Tannenbusch, die 1951 nach dem zweiten Weltkrieg gebaut wurde für die Familien der Beschäftigten der Dienststelle des amerikanischen „High Commissioner of Germany“. Dessen Zentrale wurde 1949 von der amerikanischen Besatzungsmacht von Frankfurt am Main in die vorläufige Hauptstadt Deutschlands nach Bonn verlegt. Die Siedlung besaß eine eigene Versorgungsstruktur mit Geschäften, Arztpraxis und Friseursalon, wie sie in Amerika üblich ist, und umfasste neben eigenem Straßen- und Wegenetz sowie Energieversorgung, zeitweise auch einen Kindergarten und eine Polizeiwache.
Innerhalb der HiCoG-Siedlung Tannenbusch war das markanteste Bauvorhaben das Gebäude Im Tannenbusch 3, das erste Hochhaus, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Bonn gebaut wurde. Heute gehört die Siedlung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und wird von der Baugrund & Treureal verwaltet. Die gesamte Wohnsiedlung einschließlich aller Straßen, Wege und Grünflächen steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Eine weitere Besonderheit der Siedlung ist die Nähe zum Naturschutzgebiet „Düne Tannenbusch“. Bei diesem circa 7 ha großen Gelände handelt es sich um die Reste einer Binnendüne. Die Bodenerhebung entstand nach der letzten Eiszeit durch Auftürmen von Sandmassen entlang eines verlandeten Rheinarms.

Der Pavillon neben dem Hochhaus war ursprünglich genutzt als Ladenlokal. Bevor die Dünenfüchse ihn dann einer Nutzung zugeführt haben, waren zeitweise eine Heißmangel, ein Secondhand- und ein Gemüseladen untergebracht. Danach stand er 15 Jahre leer bzw. diente dem Hausmeister als Lagerraum.

Gesamtfläche oder Nutzflächen nach Nutzung

  • Fläche der Düne (unter Naturschutz): ca. 7 ha
  • HiCog Siedlung (unter Denkmalschutz): etwa 400 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe
  • Interkultureller Gemeinschafts-, Nutz- und Schulgarten: ca. 600 qm
  • Pavillon ca. 50 qm groß, Wohnung ca. 70 qm groß

Projektstatus

etabliertes Projekt

Das Besondere – Erfolgsbausteine

Entstanden aus einer Mieterinitiative, weil man gemeinsames Sprachrohr Richtung Vermieter (BImA) gegen Sanierungsstau sein wollte, hat sich ein Verein für die Nachbarschaft und den Stadtteil entwickelt.

Gelebte Nachbarschaft, gegenseitige Hilfe und offene Aufnahme von Neubürgern. „Es ist die Menschlichkeit, die zählt“ so Achim Könen, einer der Vorsitzenden des Vereins.

Neuen Herausforderungen, ausgelöst durch den Einzug von 75 Geflüchteten, haben sich die Verantwortlichen gestellt, diese angenommen und gemeinsam mit allen Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Dazu gehört eine Wohnung für Kinderbetreuung und Sprachunterricht, Werkstattprojekte, Verleih von Werkzeug, Sammlung von Spenden über Möbel, Kleidung, Haushaltsgegenstände…

Der leerstehende Pavillon konnte von der BImA gemietet werden und dient als Anlaufstelle bzw. macht das Tun des Vereins nach außen sichtbar.

Chronologie

Am Anfang


1951: Bau der Siedlung
Mit ihrer Fertigstellung ging sie in das Eigentum der Bundesrepublik über. Der Wohnraum wurde seit der Auflösung der Alliierten Hohen Kommission 1955 insbesondere für die Mitarbeiter der in Bonn ansässigen Bundesbehörden bereitgestellt,

Leerstand/Finanzkrise: Anonymisierung der Nachbarschaft in der Siedlung

2012: loser Zusammenschluss von Interessierten, Umfragen aller Mieter zu baulichem Zustand erstellen eines Schimmelatlasses -> Druck und Sprachrohr gegenüber dem Verwalter

2013: Sanierungsstau und Leerstand der Dormitories, zwei Gebäude mit jeweils 24 Wohneinheiten. Mieter befürchten, dass die BImA die Gebäude verfallen lässt, um die Unterschutzstellung los zu werden. Mieter fordern runden Tisch mit BIma, Stadt Bonn und Mieterinitiative Dünenfüchse

Aufbau


Januar 2014 Mieterinitiative Dünenfüchse stellt Bürgerantrag, den Bebauungsplan nicht zu verändern und das Gelände nicht zu verdichten

Sie äußert den Wunsch, den seit 15 Jahren leerstehenden Pavillon als Treffpunkt für ihre Sozialarbeit zu nutzen und erstellt ein Nutzungskonzept

15. April 2014 Gründung des Vereins

2014 Dünenfüchse renovieren Pavillon und eröffnen ihn im August als Begegnungsstätte

Sommer 2014 Auszeichnung „Gute Idee für Bonn“ der Bürgerstiftung Bonn

Sommer 2015: 75 Flüchtlinge werden in der Siedlung aufgenommen: neue Herausforderungen erfordern neue Lösungen

Eine Wohnung im Gebäude der Dormitories wird zusätzlich hergerichtet zur Kinderbetreuung, für Deutschkurse, Treffpunkt etc.

Verstetigung


Juli 2016: die SPD-Fraktion im Bonner Stadtrat verleiht den Dünenfüchsen die „Sebstian-Dani-Medaille“ . Sebastian Dani war von 1946 bis 1964 Stadtdirektor von Bonn. Sein Motto lautete „Wir müssen den Menschen helfen, nicht Akten anlegen.“

September 2016: BImA bekennt sich öffentlich zu dem Ziel, die beiden Dormitories im Zentrum der Siedlung denkmalgerecht erhalten zu wollen

August 2016: Die BImA richtet nach Abstimmung mit Dünenfüchsen und Denkmalschutzbehörde einen Spielplatz in der Siedlung ein, der großen Anklang findet.

Mai 2017 BImA sagt das Nutzungsrecht für die Brachfläche hinter den Garagen des Hauses Im Tannen-busch 14 und die Umzäunung dessen zu. Die ersten Quadratmeter werden von Schutt und Dornen befreit.

Auf lange Sicht


Auf lange Sicht möchten die Dünenfüchse im Pavillon weiterhin sozialer Treff der Siedlung sein. In Planung ist zudem in Kooperation mit der Denkmalbehörde eine Musterwohnung mit Original 50er Jahre Einrichtung. Diese möchte der Verein mitbetreuen.

Finanzierung

  • Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) hat den Pavillon auf eigene Kosten renoviert und vermietet ihn nun günstig an den Verein.
  • Spielplatz wurde von der BImA finanziert.
  • Durch Spenden – insbesondere von der Bürgerstiftung Bonn und vom Bonner Spendenparlament e.V. –  wurde die Ausstattung des Pavillons wie z.B. Mobiliar und Spiele finanziert.
  • Stadt Bonn stellt mit finanzieller Förderung durch das Land NRW Wohnung für Kinderbetreuung und Sprachkurse zur Verfügung.
  • Fördermittel vom Land für Flüchtlingsarbeit/Integration
  • Aktion „Neue Nachbarn“ des Erzbistums Köln

Organisationsform

Ursprüngliche Mieterinitiative Dünenfüchse wird 2014 zum gemeinnützigen Verein Dünenfüchse Bonn Tannenbusch e.V. mit 80 Mitgliedern.

Kommunikation

Das Programm und die Angebote des Pavillons werden direkt über die Schaufensterflächen angeschlagen. Mehrsprachige Flyer kündigen für alle Nationalitäten verständlich an, was geplant ist. Eine ausführliche Internetseite mit Kalender informiert ebenso umfassend über Kurse und Treffen. Nicht zu unterschätzen ist der persönliche Kontakt. Dadurch, dass die Organisatoren durch die Siedlung laufen und die Bewohner auf die Veranstaltungen Hinweisen entsteht Bindung und Verbindlichkeit. Und die Feste sind immer eine große Vernetzungs- und Kommunikationsveranstaltung, zu denen alle Bewohner zusammenkommen, Barrieren abgebaut werden und man miteinander feiert.

Mit Veranstaltungen wie Führungen durch die Siedlung am Tag des offenen Denkmals erreicht man auch ein Publikum und Interessierte über die Stadtteilgrenzen hinaus. Auch die geschützte Düne und ihre Besonderheit für Biologen etc. ziehen immer wieder Interessierte von weiter her an.

Teamentwicklung

Durch ihre Geschichte war die HiCoG-Siedlung ursprünglich bewohnt von Mitarbeitern der in Bonn ansässigen Bundesbehörden. Diese alteingesessenen Bonner haben sich in einer Mieterinitiative zusammengeschlossen, so dass ursprünglich auch der Verein aus einer eher bürgerlichen Mitgliedschaft bestand. Durch den Wandel der Bewohnerschaft sind jedoch neue Themen aufgetaucht, denen sich der Verein angenommen hat. Über die aktuellen Themen kann der Verein auch neue Mitglieder gewinnen.

Denn durch das Tun im Pavillon und für andere kommen auch die eher zurückgezogenen Menschen wieder aus ihrer Wohnung raus, erhalten Anerkennung und nehmen Teil am nachbarschaftlichen öffentlichen Leben.

Mit der BIma besteht ein gutes Verhältnis. Die Bundesanstalt schätzt das Tun des Vereins und unterstützt ihn. Die Idee des Vereins einen Spielplatz zu bauen, wurde von der BImA aufgegriffen und finanziert. Hierzu hatte der Verein die Kinder und Eltern befragt und einen Standort und Geräte vorgeschlagen. Inzwischen kommen auch Besucher von außerhalb der Siedlung zum Spielplatz.

Immobilien/Planen/Bauen

Von innen und außen gab es einen neuen Anstrich am Pavillon, graues Laminat wurde verlegt. Die großen Schaufenster sind nun nicht mehr komplett abgeklebt, sondern offen und dienen auch als schwarzes Brett. Eine Küche und die multifunktionale Einrichtung wurden ebenfalls vom Verein selber – teils aus Spenden – finanziert.
Die Einrichtung der Wohnung im Gebäude der Dormitories wurde ebenfalls aus Spenden und Vereinsmitteln übernommen, zusätzlich gefördert durch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier halten auch Sozialarbeiter der Stadt Bonn regelmäßig Sprechstunden ab.

Nachbarschaft und Stadtteil:

Tannenbusch ist ein Ortsteil im Norden der Bundesstadt Bonn. Er gliedert sich in Alt-Tannenbusch (ca. 6000 EW), zu dem die Düne und die HiCoG-Siedlung mit dem Pavillon gehören. Die HiCoG-Siedlung hat etwa 400 Wohneinheiten, d.h. etwa 600 Menschen wohnen hier.

Neu-Tannenbusch besteht zu großen Teilen aus einer Großwohnsiedlung der 70er Jahre. Seit Dezember 2009 ist Neu-Tannenbusch mit seinen 10.000 Einwohnern in das Bund-Länderprogramm ‚Soziale Stadt‘ aufgenommen. Mit dem Förderprogramm sollen die Wohn- und Lebensbedingungen verbessert werden.

Die Bewohnerschaft in der HiCoG Siedlung war ursprünglich geprägt durch Behördenmitarbeiter und damit relativ homogen. Durch den Wegzug vieler Bundesbehörden wandelte sich auch die Bewohnerstruktur. So hat die Stadt Bonn, z.B. Menschen aus schwierigen Lebensverhältnissen in den freibleibenden Wohnungen untergebrach. So sind zunehmend neue Herausforderungen für die Nachbarschaft aufgetaucht.

Die Flüchtlingswelle brachte ca. 75 Menschen, teilweise traumatisiert, ohne Hab und Gut, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren in die Siedlung. Dies alles prägt den Stadtteil und gemeinsam wird versucht, die Lage positiv zu beeinflussen.

Auch viele Kinder zogen neu hinzu. Der Verein hat zusätzlich auch die umliegenden Schulen in seine Arbeit einbezogen und es bestehen gute Kontakte.

Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?

Mehr Unterstützung von noch mehr Nachbarn wünschen sich die Vereinsvorsitzenden. Der Pavillon könnte noch mehr von anderen Gruppen genutzt werden, dass muss sich erst noch herumsprechen. Wie aktiviert man die Nachbarschaft hier ihre eigenen Interessen anzubieten?

Es fehlt noch eine Toilette am Pavillon, bzw. eine gut erreichbare barrierefreie Toilette. Das ist das nächste Projekt des Vereins. Hierfür werden Spendenmittel benötigt.

Stolpersteine

Manches könnte in Sachen vertraglicher Basis etwas schneller gehen. Ansonsten wird die Aktivität des Vereins mit viel Wohlwollen und Unterstützung sowohl seitens der BIMA, als auch der Stadt und der Nachbarschaft gesehen.

Sonstiges

www.duenenfuechse.de/