Das Grandhotel Cosmopolis ist eine Überraschung. Es ist gleichzeitig Café und Hotel, Atelierhaus und Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen, Veranstaltungsort und Nachbarschaftstreff. Die Aktiven nennen sich Hoteliers — ihr Projekt betrachten sie als soziale Plastik.
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Unmittelbar neben dem Stadtzentrum Augsburgs befindet sich das Domviertel. Kirchen, Klöster, Bischofshäuser, kleine Gärten und enge Gassen prägen das Quartier rund um die Kathedrale. Nur im Springergässchen ragt ein sechsgeschossiger 60er-Jahre-Bau wie ein Fremdkörper aus der verschachtelten Bebauung. Bunte Stoffbahnen schmücken die graue Fassade. Unten hat ein junger Künstler seine Leiter im Teegarten aufgestellt und besprüht die Wand mit einem großflächigen Bild. Auf der anderen Seite des Gebäudes leuchtet das Wort „Grandhotel“ aus Leuchtreklamebuchstaben unterschiedlichster Schrifttypen zusammengesetzt. Ein roter Teppich führt die Treppen hinauf zum Eingang und in den Empfangsbereich, der geschmackvoll mit Mobiliar der 50er und 60er Jahre ausgestattet ist. Hinter der von innen beleuchteten Theke gibt es Kuchen und Bier, Latte Macchiato und Schlüssel für die Gäste der verschiedenen Hotel- und Hostelzimmer. Musik läuft von einer Schallplatte. Darüber hängen Uhren, die die Zeit in Grozny, Asmara, Kabul, Damaskus und Bagdad anzeigen.
Ich bin in das Grandhotel Cosmopolis gekommen, um einen Ort kennenzulernen, der auf einmalige Weise Künstler und Geflüchtete, Besucher des Cafés oder der Konzerte und Hotelgäste zusammenbringt. Jeder Versuch, die Anwesenden zu unterscheiden, wird systematisch unterlaufen. Erst in der Begegnung kommen die Geschichten der verschiedenen Gäste des Hauses zum Vorschein. Eine übergewichtige Frau mit schwarzer Haut und geflochtenem Haar gehört wohl doch nicht zu einer der geflüchteten Familien — sie gibt an der Theke den Schlüssel ihres Hotelzimmers ab. Neben mir steht ein Mann mit Schnauzbart, dunklem Teint und dichten Augenbrauen, der mit starkem Akzent Englisch spricht — er ist Teil der italienischen Postrock-Band, die am Abend hier spielt.
Wer den roten Teppich am Eingang betritt, mag auf dem Weg in sein vorübergehendes Zuhause sein, er oder sie ist aber vielleicht auch hier, um eine der unbezahlten Thekenschichten zu übernehmen, im eigenen Atelier zu arbeiten, im Keller einen Auftritt vorzubereiten oder Mittagessen für alle zu kochen.
Am Anfang war der Leerstand
Das Gebäude mit seinen 66 Räumen wurde lange als Seniorenheim vom Diakonischen Werk Augsburg betrieben und stand danach leer. Für die Sanierung wären rund 1,5 Millionen Euro nötig gewesen — Geld, das die Diakonie nicht hatte. Ein Verkauf sollte vermieden werden, für eine Nutzung im damaligen Zustand fehlten Ideen und Interessenten. Die Regierung von Schwaben fragte an, ob sie das Gebäude zur Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete mieten könne. 2011 hörte eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern von den Plänen. Eigentlich war die Gruppe auf der Suche nach Raum für kulturelles Schaffen. Schnell entwickelten sich Ideen, die Nutzungspläne zusammenzubringen. So begannen im September 2011 Verhandlungen zwischen der Regierung Schwabens, der Diakonie, die offen für die Idee war, und dem Kreis der Aktiven. Schnell stand das Grundkonzept: Ein Teil des Gebäudes sollte von der Regierung als Gemeinschaftsunterkunft gemietet werden, die Gruppe würde den anderen Teil als Hotel mieten und das Projekt im Ganzen entwickeln. Die Sanierung wollten die Aktiven weitgehend in Eigenleistung übernehmen. Anfang 2013 begann der Umbau. Knapp 500 Menschen leisteten in sechs Monaten über 100.000 unbezahlte Arbeitsstunden. Die Sachkosten wurden von der Diakonie getragen. Einige gaben ihren Wohnraum auf, um Miete zu sparen und bewohnten vorübergehend das Gebäude. Im Sommer 2013 war es schließlich so weit. Die Hoteliers, wie sich die Aktivisten des Grandhotels nennen, eröffneten Café, Veranstaltungsräume, Ateliers und Hotel und die ersten Geflüchteten bezogen ihre Zimmer.
Ein Gesamtkunstwerk als Refugium
Ein Gang durchs Haus ist wie eine Entdeckungsreise. In einer Etage ist ein Wald auf die Wände gemalt, durch den zwei übergroße Katzen schweben. In einer anderen Etage wird das Treppenhaus mit einer Lichtinstallation aus Brillengläsern beleuchtet. An einer Stelle ist ein quadratisches Stück Putz sorgfältig abgeschlagen und mit Glasscheibe und Bilderrahmen verschlossen worden. Man blickt nun auf die beleuchteten, in der Wand verlaufenden Kabelrohre, wie auf ein abstraktes Gemälde. Das Buchhaltungsbüro trägt den Namen „Creative Accounting“. Im Keller befindet sich eine Gastro-Küche, über der ein Schild die Inschrift trägt: „Was is(s)t die soziale Plastik?“ Die Fläche vor der Theke dient als Speiseraum. Hier wird seit über drei Jahren ausnahmslos jeden Werktag kostenlos Mittagessen für Hoteliers und Bewohner ausgegeben. Meistens sind es um die 40 Menschen, die der Hunger oder der Wunsch nach Geselligkeit in den Keller treibt. Dieselbe Fläche dient abends für Konzerte, Lesungen und Diskussionsrunden. Der „Beauty Salon“ im 1. Stock ist eine Installation der Künstlerin Frauke Frech, die Menschen unterschiedlicher Kultur und Sprache bei Haarschnitt und Maniküre ins Gespräch bringen soll. Im „Sanatorium“ werden Yoga, Massagen und Akupunktur für alle Bewohner und Aktiven angeboten. Der „Denker Raum“ dient als Besprechungszimmer und als Beratungsraum der Gruppe „Wilde 13“, die Geflüchtete z. B. bei ihren Asylanträgen unterstützt.
Die von unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern individuell gestalteten Hotelzimmer machen mich sprachlos. Das Spiegelzimmer ist mit Aluminium beschichtet und trägt die Inschrift „You are the one“. Im „Zauberwald“ schläft es sich märchenhaft unter einem Blätterhimmel und im „Innen/Außen“ teilt der Gast das Zimmer mit einer lebensgroßen Person aus Gips, die im Begriff ist, durch die Wand zu gehen. Mich beeindruckt, dass die Räume nicht mit Kunst gefüllt wurden, sondern als begehbare und benutzbare Installationen eine Einheit bilden. Jede Steckdose und jede Nachttischlampe ist dabei Teil des Kunstobjekts.
In den Etagen eins bis drei stoße ich jeweils auf eine Glastür mit der Aufschrift „Safe Space — Do Not Enter“. Das Betreten ist für mich verboten: Hier wohnen Geflüchtete, die sich nicht wie in einem Museum, sondern wie in einem Zuhause fühlen und deshalb vor meinen neugierigen Blicken und meiner Kameralinse geschützt werden sollen.
Hotelgäste mit und ohne Asyl
Für die Geflüchteten, die „Hotelgäste mit Asyl“, wie sie hier wertschätzend heißen, stehen knapp 17 Quadratmeter große Zimmer sowie Gemeinschaftsküchen zur Verfügung. In der Regel müssen sich zwei alleinstehende Personen ein Zimmer teilen. Familien verfügen meistens über zwei Räume. Die Gemeinschaftsunterkunft wird von der Regierung Schwabens finanziert und in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk Augsburg betrieben. Formal gibt es eine klare Grenze zwischen dem staatlich geführten und dem vom Verein geführten Teil des Gebäudes. Doch in der Praxis sind die Aufgaben ganz anders verteilt. Die Hoteliers nehmen neue Gäste in Empfang, laden täglich zum gemeinsamen Essen ein, organisieren Sprachkurse, unterstützen bei Asylanträgen und in zahlreichen anderen Angelegenheiten. In den Zimmern der Geflüchteten wird der Unterschied greifbar. In der Regel versuchen die Betreiber sogenannter „Flüchtlingsunterkünfte“ dem häufig auftretenden Vandalismus durch die Bewohner dadurch zu begegnen, dass man die Räume mit Stahlmöbeln ausstattet. Im Grandhotel hingegen bekommen die Geflüchteten die Möglichkeit, ihre Räume selbst einzurichten. Die Hoteliers organisieren gebrauchte Möbel, arbeiten sie mit oder für die Geflüchteten auf und unterstützen sie so bei der individuellen Ausstattung. Ziel ist es, ihnen eine „Heimat auf Zeit“ zu geben.
Die Hoteliers unterscheiden nur ungern zwischen Geflüchteten auf der einen und Künstlern, Aktivisten, Angestellten auf der anderen Seite. Stattdessen benutzen sie die Unterscheidung in „Hoteliers“, „Hotelgäste mit Asyl“ und „Hotelgäste ohne Asyl“. Der begriffliche Wandel zeigt auch bei mir Wirkung: Als Hotelgast ohne Asyl wird meine Gruppenzugehörigkeit überraschend als Defizit formuliert — fehlt mir also etwas? Eine raffinierte Wendung der gewohnten Begrifflichkeit, die aber auch Haken hat, denn nicht alle Geflüchteten im Cosmopolis verfügen über einen Aufenthaltstitel. Auch einem „Hotelgast mit Asyl“ kann deshalb die Abschiebung drohen. Die Hoteliers können diese zwar meistens nicht verhindern, sie bemühen sich aber fortwährend, die Härte der Entscheidungen abzufedern. Eine Familie sollte nach Polen gebracht werden, weil sie dort in die Europäische Union eingereist war. Weil die Verbringung der Familie nicht zu verhindern war, organisierten die Hoteliers über die katholische Gemeinde in Augsburg einen Kontakt zur Gemeinde im polnischen Zielort, wo man die Familie angemessen in Empfang nahm. In einem anderen Fall wurde der Asylantrag des afghanischen Musikers Farhad Sidiqi abgelehnt. In seinem Heimatland musste er um sein Leben fürchten und floh nach Deutschland. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte seine Gründe nicht an. Als letztes Mittel verfassten die Hoteliers eine Petition — und hatten Erfolg. Sidiqi bekam einen Aufenthaltstitel. Später nahm er im Tonstudio des Grandhotels einen Song auf, der in den afghanischen Charts auf Platz zwei landete und wurde zu einem Konzert im Bayrischen Landtag eingeladen. Inzwischen hat er im Grandhotel eine Anstellung als „Multiplikator für kulturelle Themen“.
Das Leben in der sozialen Plastik
Für die Hoteliers ist das Cosmopolis kein Gebäude. Es ist eine Arbeitsweise, eine Lebenseinstellung, ein Kunstwerk. Die Arbeit geht ihnen dabei nie aus und wird zum größten Teil unentgeltlich geleistet. Allein das Café wird von etwa 70 Freiwilligen betrieben, unter denen sich zunehmend auch Arbeitskräfte mit Fluchthintergrund befinden. Asylanträge werden geschrieben, Hotelzimmer gestaltet, Förderanträge gestellt und Spenden gesammelt… Es ist eine Herkulesarbeit, die im regulären Betrieb von weit über 100 Helfern und derzeit 12 Angestellten geleistet wird. Letztere erhalten etwa 900 Euro netto im Monat — bei unbegrenztem Arbeitspensum.
Die notwendigen Mittel für den laufenden Betrieb werden durch Café- und Hotelbetrieb sowie Kulturveranstaltungen erwirtschaftet, gespendet oder von Stiftungen zur Verfügung gestellt. Man hat sich darauf spezialisiert, mit wenig Geld auszukommen. Zum Konzept des Cosmopolis gehört das Upcycling — das Wieder-nutzbar-machen von Wohlstandsmüll: Das Mobiliar des gesamten Hauses besteht aus Möbelspenden, etliche Maschinen und Geräte wurden von Firmen kostenlos zur Verfügung gestellt, der Fußboden einer gesamten Etage wurde kostenlos verlegt, um neu entwickeltes Material zu testen, und die Beleuchtung eines Stockwerks stammt aus einem ehemaligen Jeansgeschäft. Wohlstand drückt sich im Grandhotel Cosmopolis nicht darin aus, dass die Räume kostspielig, sondern dass sie liebevoll gestaltet wurden.
Innen und Außen — Das Grandhotel und die Nachbarschaft
In der Anfangszeit wurde viel Sorgfalt darauf verwendet, mit der Nachbarschaft darüber in Kontakt zu treten, was hier entstehen sollte. So wurde in nur zwei Wochen der Eingangsbereich in eine Informationsstelle umgewandelt, die Einblicke in die Pläne der Gruppe geben sollte. Bei Kaffee und Tee kam man ins Gespräch und legte Wert darauf, mit allen offen zu reden. Diese frühe Kommunikation mit der direkten Nachbarschaft war auch wichtig, um baurechtlich die erforderliche Nutzungsänderung zu erhalten, denn die Nachbarn mussten dem Vorhaben schriftlich zustimmen.
Neben einigen Begeisterten und vielen Interessierten gab es auch Skeptiker und solche, die offen Ablehnung äußerten. Die Bedenken reichten von „Flüchtlinge und Künstler — das kann ja nicht gut gehen!“ bis zu „Wenn die hier einziehen, ist mein Grundstück nichts mehr wert, da kann ich keine Miete mehr verlangen“. Bald stellte die Gruppe fest, dass es den Menschen leicht fiel, bei einer Podiumsdiskussion Vorbehalte oder Vorurteile vor einem anonymen Publikum zu äußern. Im Einzelgespräch änderte sich hingegen der Ton und es ließ sich selbst bei Hardlinern Verständnis für das Konzept wecken. Nach anfänglich auch kritischen Stimmen aus dem Quartier, bekommt die Gruppe inzwischen nicht nur viel Anerkennung für ihre Arbeit, sondern das Café dient dem Quartier auch als Treffpunkt. Unter das Publikum mischen sich Studierende wie Anzugträger und Jugendliche wie Rentner. Die Akzeptanz der Nachbarschaft für das Cosmopolis liegt auch darin begründet, dass die Hoteliers die Regeln des Ordnungsamts ebenso ernst nehmen, wie die Bedürfnisse der Nachbarn. Bei Konzerten dichten sie die Fenster mit dicken Dämmkörpern ab und um 22 Uhr enden die Veranstaltungen. Dann wird auch der Garten geschlossen. Auch alkoholische Getränke vor dem Haus zu trinken ist nach 22 Uhr verboten.
Erfolgsbausteine
Dass das Grandhotel Cosmopolis zu dem werden konnte, was es heute ist, liegt auch an der glücklichen Konstellation der Anfangszeit. Die Suche der Künstlergruppe nach einem Raum für ihr Schaffen und die Suche der Regierung Schwaben nach einem Standort für eine Gemeinschaftsunterkunft trafen im Objekt der Diakonie glücklich zusammen. „Dieser besondere Zufall war ein Funke, der hat das Feuer entfacht.“
Wichtig für das Gelingen war auch die besondere Gesprächskultur im Grandhotel Cosmopolis. Egal ob mit der Polizei, der Diakonie oder mit zweifelnden Einzelpersonen: Es wird das Gespräch gesucht. Dass die Hoteliers sich als so hervorragende Verhandler erwiesen haben, hängt auch damit zusammen, dass sie sich keiner politischen Strömung zuordnen lassen. Sie tun dies nicht aus taktischen Gründen, sondern aus Überzeugung. Das Grandhotel Cosmopolis versteht sich nicht als „linkes Projekt“, sondern es strebt Offenheit an für alle, die Teil der sozialen Plastik, die Teil des gemeinsamen Wirkens sein wollen. Trotz vielfältiger politischer Aktionen hat die Gruppe jedes Bekenntnis zu bestimmten politischen Strömungen vermieden, weil dies aus Sicht der Gruppe zu Ausschlüssen geführt hätte.
Schluss
Als mein Besuch im Cosmopolis zu Ende geht und ich das Hotel über den roten Teppich verlasse, bin ich aufgewühlt, nachdenklich und glücklich. Es ist ein besonderer Ort und ein außergewöhnliches Miteinander, das ich als Gast und Teil der sozialen Plastik erleben durfte. Die Begeisterung und Hingabe, die die Hoteliers verkörpern, rührt mich, das Ausmaß ihrer Arbeit beeindruckt und erschüttert mich. Seit drei Jahren ist das Grandhotel nun geöffnet. Ich frage mich, wie lange es wohl möglich sein wird, den Betrieb mit dieser Intensität aufrechtzuhalten. In einem Radiointerview äußerte sich eine der Hoteliers: „Wir können nicht konstant den Euphoriepegel hochhalten. Alle sind überarbeitet und ein großer Teil unserer Arbeitskapazität fließt da rein, die Abschiebungen zu verhindern oder zu versuchen, sie zu verhindern“.
Text: Hannes Heise & Michael Stellmacher
Projekt
In einem ehemaligen Seniorenwohnheim der Diakonie in Augsburg ist ein Hotel für Hotelgäste mit und ohne Asyl sowie Veranstaltungs- und Atelierräume entstanden.
Gebäudetyp/Nutzflächen
Sechsstöckiger 60er-Jahre-Bau, früheres Seniorenwohnheim
2.800 qm Gesamtfläche und 66 Zimmer, davon 1.200 qm Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete und 1.600 qm für Atelier, Gastro, Hotel, Cafe, Büro.
Projektstatus
Verstetigungsphase
Das Besondere – Erfolgsbausteine
Durch die Mischnutzung des Gebäudes werden Begegnungen möglich, die sonst nicht stattfinden würden. Wer das Cosmopolis betritt, ist vielleicht auf dem Weg zu einem Konzert, zum eigenen Atelier oder zur Theke, um dort eine Schicht als HelferIn anzutreten. Vielleicht wohnt er oder sie aber auch hier — als Hotelgast mit, oder als Hotelgast ohne Asyl.
Chronologie
Am Anfang
01.09.2011: Erstes Treffen zwischen Regierung, Diakonie und Grandhotel-Team, Beginn der konzeptionellen Arbeit im Haus
Aufbau
15.10.2011: Beginn des Umbaus des Eingangsbereiches
01.12.2011: Öffnung des Hauses für die Nachbarn und Anwohner – Beginn der Informationsphase mit insgesamt 80 Kultur- und Bildungsveranstaltungen bis 11/2012
10.05.2012: Einstimmiger Beschluss aller Abgeordneten des Augsburger Stadtrates, indem die Verwaltung damit beauftragt wurde, die Genehmigung für die Realisierung der „Idee Grandhotel“ voranzutreiben
24.07.2012: Gründung des Vereins „Grandhotel Cosmopolis“
07.01.2013: Beginn der Bauarbeiten zum Umbau des gesamten Gebäudes
Verstetigung
15.07.2013: Abnahme durch Ordnungsamt, Bauordnungsamt und Feuerwehr Augsburg mit der Genehmigung zur Aufnahme des Betriebes
18.07.2013: Einzug der ersten Hotelgäste mit Asyl
Finanzierung
Das Gebäude ist vom Eigentümer Diakonie Augsburg mit zehnjähriger Vertragslaufzeit gemietet. Die Sanierung erfolgte fast ausschließlich im Rahmen unbezahlter Arbeit durch die Aktiven und Unterstützer. Hierfür waren über 100.000 Arbeitsstunden notwendig! Die dabei entstandenen Sachkosten betrugen rund 340.000 Euro und wurden von der Diakonie getragen. Der laufende Betrieb wird durch die Einnahmen aus Café, Gastronomie, Hotel und Kulturveranstaltungen finanziert. Die Kulturarbeit wird derzeit außerdem von der Robert-Bosch-Stiftung und der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Für Beratung und Unterstützung von Geflüchteten und dabei entstehende Anwaltskosten werden Spenden gesammelt.
Organisationsform
Die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete wird in Trägerschaft der Regierung von Schwaben betrieben. Das übrige Gebäude mit Hotel und Hostel, Café/Bar, Veranstaltungsfläche, Gastronomie und Ateliers wird vom gemeinnützigen Grandhotel Cosmopolis e.V. gemietet.
Kommunikation
Die Gestaltung von Homepage und Broschüren auf höchstem ästhetischem Niveau findet durch zwei Grafikdesignerinnen statt, die selbst Aktive des Projektes sind. Telefonisch ist eine zuständige Person 24 Stunden am Tag erreichbar.
Teamentwicklung
Zentrale Entscheidungsgremien sind der wöchentliche „Rat der Hoteliers“, der über Belange entscheidet, die das gesamte Haus betreffen, sowie das Hausplenum, zu dem bei Bedarf alle Bewohner geladen werden.
In unregelmäßigen Abständen finden Klausurtage statt, die zur Klärung von Grundsatzfragen genutzt werden.
Immobilien/Planen/Bauen
Das Grandhotel befindet sich in einem sechsstöckigen 60er-Jahre-Bau im Augsburger Domviertel. Die Sanierungskosten des ehemaligen Seniorenwohnheimes wurden auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Hierfür fehlte der Diakonie das Geld. Im Fall eines Abrisses wäre ein Neubau in gleicher Höhe (in den oberen Stockwerten mit Alpen-Blick!) nicht genehmigungsfähig gewesen. Die niederschwellige Instandsetzung in Mischnutzung ermöglichte für die Diakonie zuverlässige Mieteinnahmen, dem Land Schwaben den Betrieb einer kleinen Gemeinschaftsunterkunft und dem Grandhotel Cosmopolis e.V. die Verwirklichung ihrer konzeptionellen Idee.
Nachbarschaft und Stadtteil
Als die Pläne zur Gründung des Grandhotel Cosmopolis bekannt wurden, gab es in der Nachbarschaft nicht nur engagierte Befürworter, sondern auch eiserne Gegner. In unterschiedlichen Formaten suchten die Aktiven das Gespräch mit der Nachbarschaft und konnten ihre Kritiker überzeugen. Inzwischen hat sich das Lobby-Café für das Quartier zum Treffpunkt entwickelt. Als Veranstaltungsort spielt das Cosmopolis für ganz Augsburg ohnehin eine wichtige Rolle.
Stolpersteine
Viele der „Hotelgäste mit Asyl“ leben in der Angst vor der Ablehnung ihres Antrags auf Asyl und einer möglichen Abschiebung. Viel Energie wird deshalb für die oft zermürbende Arbeit verwendet, Geflüchteten bei ihren Anträgen zu unterstützen, Abschiebungen zu verhindern oder die Härte einer Abschiebung zumindest ein wenig abzumildern — durch die Begleitung in das jeweilige Land, durch die Organisation eines Kirchenasyls oder durch die Finanzierung der freiwilligen Ausreise.
Die Idee eines gleichberechtigten miteinander Lebens, Arbeitens und künstlerisch tätig Seins wird durch die staatliche Genehmigungspraxis erschwert. Selbst die ehrenamtliche Mitarbeit von Geflüchteten im Grandhotel wurde von den Behörden zwischenzeitlich infrage gestellt.
Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?
Ohne die viele unbezahlte Arbeit, die Hoteliers und viele Helfer im Grandhotel leisten, wäre das Projekt undenkbar. Am Betrieb des Lobby-Cafés sind derzeit ca. 70 Personen beteiligt. Auch die Unterstützung der Geflüchteten in rechtlichen Fragen, der Betrieb der Gastro-Küche, die künstlerische Gestaltung der Hotelzimmer, die jährlichen Großveranstaltungen und vieles mehr finden fast ausschließlich im Rahmen unbezahlter Arbeit statt.
Links & Downloads
Autoren: Hannes Heise, Michael Stellmacher