Fotos: Grandhotel Cosmopolis

Grandhotel Cosmopolis Augsburg

Das Grandhotel Cosmopolis ist eine Überraschung. Es ist gleichzeitig Café und Hotel, Atelierhaus und Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen, Veranstaltungsort und Nachbarschaftstreff. Die Aktiven nennen sich Hoteliers — ihr Projekt betrachten sie als soziale Plastik.

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Projekt

In einem ehemaligen Seniorenwohnheim der Diakonie in Augsburg ist ein Hotel für Hotelgäste mit und ohne Asyl sowie Veranstaltungs- und Atelierräume entstanden.

Gebäudetyp/Nutzflächen

Sechsstöckiger 60er-Jahre-Bau, früheres Seniorenwohnheim

2.800 qm Gesamtfläche und 66 Zimmer, davon 1.200 qm Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete und 1.600 qm für Atelier, Gastro, Hotel, Cafe, Büro.

Projektstatus

Verstetigungsphase

Das Besondere – Erfolgsbausteine

Durch die Mischnutzung des Gebäudes werden Begegnungen möglich, die sonst nicht stattfinden würden. Wer das Cosmopolis betritt, ist vielleicht auf dem Weg zu einem Konzert, zum eigenen Atelier oder zur Theke, um dort eine Schicht als HelferIn anzutreten. Vielleicht wohnt er oder sie aber auch hier — als Hotelgast mit, oder als Hotelgast ohne Asyl.

Chronologie

Am Anfang

01.09.2011: Erstes Treffen zwischen Regierung, Diakonie und Grandhotel-Team, Beginn der konzeptionellen Arbeit im Haus

Aufbau

15.10.2011: Beginn des Umbaus des Eingangsbereiches

01.12.2011: Öffnung des Hauses für die Nachbarn und Anwohner – Beginn der Informationsphase mit insgesamt 80 Kultur- und Bildungsveranstaltungen bis 11/2012

10.05.2012: Einstimmiger Beschluss aller Abgeordneten des Augsburger Stadtrates, indem die Verwaltung damit beauftragt wurde, die Genehmigung für die Realisierung der „Idee Grandhotel“ voranzutreiben

24.07.2012: Gründung des Vereins „Grandhotel Cosmopolis“

07.01.2013: Beginn der Bauarbeiten zum Umbau des gesamten Gebäudes

Verstetigung

15.07.2013: Abnahme durch Ordnungsamt, Bauordnungsamt und Feuerwehr Augsburg mit der Genehmigung zur Aufnahme des Betriebes

18.07.2013: Einzug der ersten Hotelgäste mit Asyl

 

Finanzierung

Das Gebäude ist vom Eigentümer Diakonie Augsburg mit zehnjähriger Vertragslaufzeit gemietet. Die Sanierung erfolgte fast ausschließlich im Rahmen unbezahlter Arbeit durch die Aktiven und Unterstützer. Hierfür waren über 100.000 Arbeitsstunden notwendig! Die dabei entstandenen Sachkosten betrugen rund 340.000 Euro und wurden von der Diakonie getragen. Der laufende Betrieb wird durch die Einnahmen aus Café, Gastronomie, Hotel und Kulturveranstaltungen finanziert. Die Kulturarbeit wird derzeit außerdem von der Robert-Bosch-Stiftung und der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Für Beratung und Unterstützung von Geflüchteten und dabei entstehende Anwaltskosten werden Spenden gesammelt.

Organisationsform

Die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete wird in Trägerschaft der Regierung von Schwaben betrieben. Das übrige Gebäude mit Hotel und Hostel, Café/Bar, Veranstaltungsfläche, Gastronomie und Ateliers wird vom gemeinnützigen Grandhotel Cosmopolis e.V. gemietet.

Kommunikation

Die Gestaltung von Homepage und Broschüren auf höchstem ästhetischem Niveau findet durch zwei Grafikdesignerinnen statt, die selbst Aktive des Projektes sind. Telefonisch ist eine zuständige Person 24 Stunden am Tag erreichbar.

Teamentwicklung

Zentrale Entscheidungsgremien sind der wöchentliche „Rat der Hoteliers“, der über Belange entscheidet, die das gesamte Haus betreffen, sowie das Hausplenum, zu dem bei Bedarf alle Bewohner geladen werden.

In unregelmäßigen Abständen finden Klausurtage statt, die zur Klärung von Grundsatzfragen genutzt werden.

Immobilien/Planen/Bauen

Das Grandhotel befindet sich in einem sechsstöckigen 60er-Jahre-Bau im Augsburger Domviertel. Die Sanierungskosten des ehemaligen Seniorenwohnheimes wurden auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Hierfür fehlte der Diakonie das Geld. Im Fall eines Abrisses wäre ein Neubau in gleicher Höhe (in den oberen Stockwerten mit Alpen-Blick!) nicht genehmigungsfähig gewesen. Die niederschwellige Instandsetzung in Mischnutzung ermöglichte für die Diakonie zuverlässige Mieteinnahmen, dem Land Schwaben den Betrieb einer kleinen Gemeinschaftsunterkunft und dem Grandhotel Cosmopolis e.V. die Verwirklichung ihrer konzeptionellen Idee.

Nachbarschaft und Stadtteil

Als die Pläne zur Gründung des Grandhotel Cosmopolis bekannt wurden, gab es in der Nachbarschaft nicht nur engagierte Befürworter, sondern auch eiserne Gegner. In unterschiedlichen Formaten suchten die Aktiven das Gespräch mit der Nachbarschaft und konnten ihre Kritiker überzeugen. Inzwischen hat sich das Lobby-Café für das Quartier zum Treffpunkt entwickelt. Als Veranstaltungsort spielt das Cosmopolis für ganz Augsburg ohnehin eine wichtige Rolle.

Stolpersteine

Viele der „Hotelgäste mit Asyl“ leben in der Angst vor der Ablehnung ihres Antrags auf Asyl und einer möglichen Abschiebung. Viel Energie wird deshalb für die oft zermürbende Arbeit verwendet, Geflüchteten bei ihren Anträgen zu unterstützen, Abschiebungen zu verhindern oder die Härte einer Abschiebung zumindest ein wenig abzumildern — durch die Begleitung in das jeweilige Land, durch die Organisation eines Kirchenasyls oder durch die Finanzierung der freiwilligen Ausreise.

Die Idee eines gleichberechtigten miteinander Lebens, Arbeitens und künstlerisch tätig Seins wird durch die staatliche Genehmigungspraxis erschwert. Selbst die ehrenamtliche Mitarbeit von Geflüchteten im Grandhotel wurde von den Behörden zwischenzeitlich infrage gestellt.

Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?

Ohne die viele unbezahlte Arbeit, die Hoteliers und viele Helfer im Grandhotel leisten, wäre das Projekt undenkbar. Am Betrieb des Lobby-Cafés sind derzeit ca. 70 Personen beteiligt. Auch die Unterstützung der Geflüchteten in rechtlichen Fragen, der Betrieb der Gastro-Küche, die künstlerische Gestaltung der Hotelzimmer, die jährlichen Großveranstaltungen und vieles mehr finden fast ausschließlich im Rahmen unbezahlter Arbeit statt.

Links & Downloads

Autoren: Hannes Heise, Michael Stellmacher